Werte Forscherkollegen,
bei Durchsicht der Herrschaftsakten Stift Dürnstein ist mir dieses Juwel vor der Brille erschienen, habe dieselbe sofort gründlich geputzt weil ich nicht glauben konnte, was ich hier lese:
https://www.archivnet.findbuch.net/php/v...1eceae1c739f13f

Meine mehr oder weniger korrekte Transkription:
den 28. Juni 1638 verspricht Albrecht Wehe Träxler derzeit Wirt alhier zu Dürnstein im Frauencloster bei der Rotten Sau, zur Gedachtnus obgemeltes 28. Juni eingefallener (Pest) ein Pfefferkerndl von Hellfenpain (Elfenbein) auf künstlichst als er immer kann und in allen seinem Verstand vermag zu verfertigen und mir Carl Hübner derzeit Hofrichter zu verehren und soll dieses bis negst künftigen Sonntag am Tag Ulrich den 4. Juli bei Pönfall 6 Reichstaller gewiss vollzogen werden, Amen

Es kann sich dabei eigentlich nur um eine dem ausgiebigen Genuß Dürnsteiner Weines zuzuschreibende nächtliche Anweisung des offenbar betüdelten Hofrichters an den sicher ebenfalls nicht stocknüchternen Wirten handeln. Ein Wirtshaus im Frauenkloster "zur roten Sau" ist auch eher - naja speziell.
Dieses "Protokoll" von 1638 ist übrigens am Ende des Buches eingebunden worden, welches anno 1637 beginnt und anno 1647 endet.
Was meint die Fachschaft dazu?

freundliche Grüsse Miss Marple

Gibt, bzw. gab es ein Frauenkloster in Dürnstein?
Sind die Herren sonst unkundlich belegt? Und das Wirtshaus?

"Pest" ist ja durchgestrichen, dann steht meiner Ansicht nach ein kleines "f" und dann steht "Fests", was auch zu "eingefallenen" passt. Ein besonderes kirchliches Fest gibt es allerdings erst am 29., nämlich Peter und Paul.

Zu deiner Vermutung würden die Schreibschwierigkeiten bei so "ungewöhnlichen" Wörtern wie Fest und Sonntag passen ...

Robert.

Danke fürs Mitdenken geschätzter Robert,
in Dürnstein gab es ein Kloster der Klarissinnen, 1561 waren alda angeblich noch 2 Damen, die beide geflohen sind und sich verheirateten. Die nachfolgende Äbtissin lebte 10 Jahre dort alleine und mit ihr starb 1571 das Kloster sozusagen aus. 1573 ging es in den Besitz der Chorherren über und wurde mit Ausnahme der Klosterkirche zum Mayerhof mit angeschlossener Weinschenke umgestaltet.
Ob dieses Wirtshaus allerdings "zur Rotten Sau" hieß, bezweifle ich eigentlich, in den Grund- und Gewährbüchern die mir zugänglich sind habe ich nichts dergleichen gefunden. Auch die Namen der beiden Herren, die sich dort an einem Montag (kein Tag zum Zechen glaube ich) einen auf die Lampe gegossen und irgendwas gefeiert haben konnte ich nirgendwo verorten.

Leider ist weiters nichts herauszufinden, amüsant ist es allemal, daß diese offensichtliche Scherz-Anordnung im Protokollbuch der Herrschaft sozusagen konserviert wurde.
Die "Schreibschwierigkeiten" sind mir nach Deinem Hinweis auch nachträglich aufgefallen.
freundliche Grüsse Miss Marple

Das Zechen am Montag war wohl kein eingesessener Brauch. (Einer meiner Urahnen ist tatsächlich wegen unerlaubten Fleischgenusses am Samstag bestraft worden!) Ich nehme aber an, dass Peter und Paul damals ein allgemeiner Feiertag war, der wohl auch offiziell/kirchlich am Vorabend begonnen hat ("eingefallen" ist???).

Das Schriftstück scheint sich unmittelbar in der Kanzlei o.ä. befunden zu haben, denn es schließt sich der Beginn einer anderen Verhandlung an. Möglicherweise ist der Schreiber dann erst auf den Inhalt des obenstehenden "Falles" aufmerksam geworden und hat doch lieber ein anderes Blatt begonnen. Es wäre höchst interessant, ob sich die Sache des Herrenjägers Püzenthaller "wegen der Staingattererin zue Thürnhaag" irgendwo unter den Akten findet!

Auch ein Schriftvergleich wäre spannend.

Robert.

Messerscharfe Schlussfolgerung, Chapeau Mr. Robert Stringer!
Mit dem "Herrenjäger" ist das so eine Sache, der Mann ist nämlich kein solcher sondern "Unterthan des Herrn Jörger zu Zaissing" und gefunden hab ich keine Händel mit der Steingatterin.
1638-1640 gab es sozusagen ein "Interregnum" in der Herrschaft wegen Erbsstreitigkeiten, die Akten sind hin- und hergelaufen. Die grässliche Schrift am Ende gibt's sonst nirgendwo, ausser hin und wieder eben in der Hft Zaissing. Dort bin ich aber noch nicht so weit, außerdem habe ich Thürnhaag als außerhalb meines Reviers liegend zur nicht existenten Gegend erklärt.

Deine Annahme, daß der nachfolgende Schreiber hier fortsetzen wollte und dann gesehen hat welch Mumpitz da oben eigentlich steht ist bestehend logisch. Trotzdem wurde der Mumpitz aufgehoben und eingebunden, weil ja die Rückseite mit wichtigeren Angelegenheiten beschrieben ward.
Jedenfalls ein erheiterndes Stück Lokalkolorit, wie ich finde.
Danke nochmal!

"bestechend logisch" - sorry, mein "c" hängt.

Die Rück-Seite ist doch unbeschrieben? Wenn ich richtig sehe, ist das Buch aus Blättern und nicht Bögen zusammengeheftet?
Dürnhag und Siebenhirten weisen nach Böheimkirchen, das ist tatsächlich ein Stück von deinen Jagdgründen.

Auffallend, das habe ich noch vergessen, ist auch der (unpassende) Abschluss mit "Amen", vielleicht auch ein Hinweis auf die "unernste" Entstehung.

Wie du schreibst, ein schönes Zeugnis aus dem Leben abseits der kirchlichen und weltlichen Akten.

Robert.

... Das Zechen am Montag war wohl kein eingesessener Brauch ...
Es könnte sein, dass sie von der Sonntagsfeier noch übriggeblieben sind. Und das Fest könnte auch eine Hochzeit gewesen sein.

lg Walter

Hast völlig recht geehrter Waltenchamun, das Zechen in der Gegend war an keinen speziellen Tag gebunden.
Es kam ja zu keinen "Schlegereyen und Rauffereyen und Iniuri" in diesem Fall, die fanden grundsätzlich am Wochenende statt, wie ich festgestellt habe.
Die beiden Herren hatten einfach ein gepflegtes Damenspitzerl jenseits der Sperrstund wenn sie vom Sonntag noch übriggeblieben waren. Oder so.
Wir erfreuen uns heute noch daran, mögen sie in Frieden ruhen.
Amen
Miss Marple

Für alle, die das noch interessiert: hab grad den Carl Hübner gefunden, er ist 1643 unter Hinterlassung von "Cleinodien,, Paarschaft, Weingärten" etc. als wohlhabender "Hofrichter von Stift und Closter Türnstein" verstorben. Es gab ihn also tatsächlich.

herrlich

leider ist bei seinen Besitztümern das "helffenpainerne Pfefferkherndl" nicht angeführt, wahrscheinlich war es unter den "Cleinodien" oder die Strafzahlung bei der erwähnten "Paarschaft".

Das wäre ein Curiosum zur Potenz! Oder wenn es sich in einem Heimatmuseum finden würde "Elfenbeinkügelchen mit Schnitzerei der Apostel Petrus und Paulus, Herkunft unbekannt".

Robert.

Grandios, danke verehrter Robert für das schöne Bild....
Den Drechsler Albrecht Wehe gab es übrigens auch tatsächlich, er wurde mitunter als (hoffentlich nüchterner) Zeuge bei Amtshandlungen alda vom Hofrichter beigezogen.
Womit der Fall nach akribischer Untersuchung gelöst ist.
Ausnahme: das ominöse Wirtshaus zur Rotten Sau und das Pfefferkherndl (vielleicht sieht es ja jemand in einem Heimatmuseum), beider Existenz kann Miss Marple nicht nachweisen. Schade eigentlich.
Nun ein Fall für Hercule Poirot.