Magdalena Hödl ist 25 Jahre alt und hochschwanger, als sie in Albrechtsberg im Jänner 1748 mit dem 27-jährigen Wirtssohn Jacob Halmschlager aus Zwettl getraut wird. Es ist Fasching, in der Schloßtaverne wird ausgiebig gefeiert. Acht Wochen später im März 1748 wird ein Sohn geboren, sein Taufpate ist der "wohlgeborene Herr zu Albrechtsberg Franz Joseph von Lempruckh". Das Kind wird im Taufbuch als "legitimus" eingetragen, die damals übliche Schandstrafe blieb wohl aus, man war mit "der Herrschaft" im besten Einvernehmen. Der kleine Bub lebt nur 5 Monate und wird am 1. August 1748 begraben.
Es ist heute nach 270 Jahren nicht mehr zu eruieren, was in dieser jungen Ehe vorgefallen ist. Es gab offenbar keine finanziellen Sorgen, man war gut situiert.
Jacob Halmschlager kauft Ende September 1748 ein überschuldetes Haus in Gillaus, er zahlt anstandslos den Kaufpreis und verpflichtet sich, die Aussenstände welche auf dem Anwesen lasten, zu begleichen.
Sechs Wochen später im November 1748 erschießt Jacob Halmschlager seine Frau, es ist noch kein Jahr seit der Hochzeit vergangen. Es handelt sich wohl um keinen Unfall sondern um vorsätzlichen Mord, Jacob Halmschlager entflieht nach der Tat.
Dem Nachlassverzeichnis ist zu entnehmen, daß Magdalena Halmschlager großen Wert auf Garderobe legte. Mieder und zarte Hemdchen aus Damast und Taft, goldverzierte Hauben und neue Kleider, verschiedene Arten von Strümpfen in allen Farben, Stoffe und Schmuck füllten Schrank und Truhe.
Mehrere bunte seidene Halstücher, farbene „Schnupftüchel“, gestrickte Handschuhe, Pantoffel fanden sich ebenso wie sogar ein „Zandt Pirstel“. Magdalena war wohl willens, einen noblen Haushalt zu führen in dem kleinen Dorf Gillaus. Ihr Bett war mit grünen Vorhängen versehen, weiche Polster und Kissen, sogar Ober- und Unter-Tuchenten waren vorhanden samt weichen Überzügen.
Sie hätte vermutlich keinerlei Gelegenheit gehabt, die Damast- und Taftroben auszuführen. Vielleicht hoffte sie auch auf ein vornehmeres und „besseres“ Leben ohne Vieh im Haus weit weg von der ärmlichen Bauernsiedlung. Dies muß jedoch Spekulation bleiben, Magdalena Halmschlager wurde von ihrem jungen Ehemann gewaltsam zu Tode gebracht und konnte ihre Träume nie verwirklichen.

Jakob Halmschlager wurde offenbar nicht gefaßt. Die Herrschaft verkaufte sein Haus "ex offo" im Juli 1749.
Quellen: Pfarrmatriken, Herrschaftsakten

Miss Marple

Irgendwie scheint sich nie wirklich was zu ändern auf der Welt, oder?

Robert.

Ich habe mit großem Interesse diesen Artikel gelesen! Wer sucht nach der Familie Halmschlager, oder ist das nur ein Zufallsfund?

Gruß

Leo

Guten Abend Leo,
Zufallsfund: ja und nein - ich sammle seit Jahren Familiendaten aus Herrschaftsakten und Pfarrmatriken Wachau und südl. Waldviertel. Einfach aus historischem Interesse. Aus diesen fügen sich oft faszinierende Puzzles zusammen. Falls Du also nach "Halmschlager" oder "Halmetschlager" in der Gegend suchst könnte ich vielleicht in meinen Files noch mehr finden. Es sind xls-Dateien, die man einfachst filtern kann.
freundliche Grüsse Miss Marple

Faszinierende Geschichte, und (wie erwartet) super aufbereitet.

Meine Gedanken dazu:
Ist der Vater des Kindes vielleicht in der Herrschaft zu suchen? Dafür würde der Taufpate, die nicht vollzogene Strafe und der doch für diese Gegend/Zeit ungewöhnliche Reichtum sprechen. War die Mutter an einer Prolongierung der vorehelichen Beziehungen interessiert? Wir werdens nicht mehr erfahren!

lg Walter

Ein wenig erinnert mich die Geschichte, gerade in der (vorstellbaren) Form, in der Walter sie weitergedacht hat, an "Madame Bovary" von Gustave Flaubert ...

Robert.

ad Walter & Robert: auf die Idee, jemand anders als der entwichene Halmschlager könnte der Vater sein bin ich noch gar nicht gekommen - interessanter Aspekt, vor allem wo sich der (verheiratete) Patron der jungen Familie derart angenommen hat.
Madame Bovary am Jauerling - mon Dieu!
Danke vielmals fürs Mitdenken...
lg Miss Marple

ich spinne mal meine Gedanken weiter:

es musste geheiratet werden - welche Schande ... gut hat sie gelebt die gute Magdalena, und wurde mit so einen Kerl verheiratet. der hat sich ja leicht finden lassen - gut gekauft den jungen Mann. Und dann hat der diese Sudderantin im Haus sitzen. Nichts ist ihr gut genug, nichts ist ihr recht, immer am nörgeln, immer am kritisieren ....
sie hätte eine Wohlgeborene sein können, eine was weiss ich, nur der Balg (an was ist er eigentlich gestorben?) kam ihr dazwischen ...

Stoff aus dem Filme gedreht werden

Eine wirklich sehr interessante, spannende und auch irgendwie traurige Geschichte.

Beeindruckend, wie der Fall Eure Phantasie anregt. Ich hab nochmal alle Unterlagen durchgelesen und festgestellt:
-der Taufpate des kleinen Joseph Gregor war der "illustrissimus Dominus Franz de Paula Joseph de Lempruch von Schloß Albrechtsberg"
dieser, offenbar noch ledig, ein Sohn des Herrschaftsinhabers, heiratete 1748 zu St. Pölten ein "Wohledles Freylein Antonia von Ehrmanns, Freyherren Tochter"
-dessen Vater "Johann Carl Ignaz von Lempruch Reichsfrey- und Panierherr" betrieb den Hauskauf des Jacob Halmschlager durch allerhöchste Intervention wie es scheint, ein Bauer zu Gillaus wurde schlicht schuldenhalber enteignet.
-im Nachlassprotokoll der Magdalena findet sich neben einer Anzahl Vieh eben die oben angeführte "Leibskleidung" der Toten und ein paar Schmuckgegenstände sowie die luxuriöse Bettstatt. Ein paar "alte Hosen und Hemeter" waren vermutlich ihrem Ehemann zugehörig.
Interessant ist, daß bei etlichen Posten (zB ein "Weiberhuet" und einigen Pretiosen) kein Schätzwert angegeben wird. Es wird auch keine Gesamtsumme des Nachlasses ausgeworfen, keine Schuldner und Erben angegeben wie sonst üblich. Das Protokoll endet abrupt ohne diese sonst immer penibel angeführten Details. Keine Unterschrift, kein "Actum", nix.
-woran das kleine Kind gestorben ist, wird nicht angegeben, getauft wurde es offenbar "im Schloß Albrechtsberg" und nicht in der "parochia loci".
Dies zur Vervollständigung der Recherchen - mag jeder davon halten, was er mag. Walter scheint auf der richtigen Spur gewesen zu sein wie ich meine.

Miss Marple

Pardon, noch was wäre erwähnenswert: das Vorhandensein von "weißem Fürtüchern" (Schürzen), welche für Bäuerinnen gänzlich unüblich und ungeeignet waren, läßt vermuten, daß Magdalena eventuell im Schloß Albrechtsberg eine Stellung im Haushalt innehatte.
Das wars aber jetzt.
MM

Stammt Magdalena aus einer Bauernfamilie?
Meinen bisherigen Beobachtungen nach war es im 18. Jhdt. nicht recht verbreitet, dass Wirts- oder Bürgersöhne allgemein die Bauerntöchter, die von ihnen schwanger waren, auch geheiratet haben.

Das ließe für mich die Möglichkeiten zu, dass er entweder von dem (von uns vermuteten) Handel gewusst hat und sich kaufen hat lassen oder es nicht gewusst hat und erst danach draufgekommen ist.

Die zeitnahe Verehelichung des von uns verdächtigten Vaters dagegen passt in des Bild, dass Söhne, die uneheliche Kinder hatten, oft bald darauf standesgemäß (das gilt auch für Bauernfamilien, die ja nicht weniger standesbewusst waren) verheiratet worden sind.

Robert.

neue Phantasieüberlegung (ach sowas liebe ich)
Magdalena hatte ein Auge auf den jungen Adeligen, hätte ja auch fast funktioniert, nur der Herr Schwiegerpapa war dagegen. Magdalena hat da auch brav die Hand auf gehalten, vielleicht war ihr das alles zu wenig und sie wollte der Zukünftigen ihres Mannes die Wahrheit sagen und hat Ex-Schwiegerpapi erpresst, der hat dem ganzen ein Ende bereitet - der Ehemann ist Unschuldig und wurde beseitigt und so die Schuld hingeschoben

Robert: Magdalena war tatsächlich eine Bauerntochter, paßt zu Deinen Überlegungen, dergleichen ist mir auch mehrfach aufgefallen

Vitulus aka Madame Poirot: jetzt müssen wir bloß noch die Leiche des mordsmäßig Verblichenen finden, ohne Leiche kein Kriminal.
Sehr kreativ, Chapeau!
Der wohledle Franz Joseph (unser bevorzugter Kindsvater) von und zu ist übrigens samt seiner im Juni 1748 geehelichten Wohledlen aus Albrechtsberg verschwunden. Vielleicht war ja der "Skandal" ohnehin allseits bekannt.

Vielleicht findet sich ja eines Tages in einem rumänischen Archiv das Tagebuch eines Jacobo Hallmslager