Werte Mitleser,
heute fand ich in Herrschaftsakten einen Hauskauf, der mich seither emotional sehr beschäftigt:
Im Jänner 1721 feiert Quirinus Treyer (Dreier) aus Unterbergern in Pf. Mautern Hochzeit mit Maria Anna Hofmann. Beide sind um die 25 Jahre alt. Es dürfte sich wohl um eine "Liebesheirat" gehandelt haben, denn beide jungen Leute hatten nichts in die Ehe einzubringen, Quirin war Waise und Maria Anna lebte in ärmlichsten Verhältnissen bei den Eltern.
Die Brauteltern Adam und Agnes verkaufen und übergeben ihr "Häusl" samt einem Acker und zwei Wiesen dem jungen Paar gegen lebenslange Herberg und 50 Fl Kaufpreis. In der Folge kommen zwei Töchter und ein Sohn zur Welt. Mit den alten Eltern im Haus und den wenigen Gründen sowie wachsender Familie und ebenso wachsender Schuldenlast gab es keine Hoffnung auf ein besseres Leben.
Quirin faßt schließlich fünf Jahre später einen schweren Entschluß: er läßt sich als "Recrout" anwerben im "kayserlichen Regiment zu Fuess Graf Starnberg". Seine Anna will er mit sich nehmen. Sie verkaufen das Elternhaus:
https://www.noela.findbuch.net/php/view....1e0eeefc739f13f
Der Käufer, Bruder der Anna, soll anstatt eines Kaufpreises die aufgelaufenen Schulden begleichen, den Eltern weiterhin lebenslanges Wohnrecht gewähren und auch die beiden kleinen Töchter von Quirin und Anna, 5 und 1 Jahr alt, bei sich aufwachsen lassen.
Den kleinen Sohn Johann, 2 Jahre alt, wollen Quirin und Anna "mit in den Krieg nehmen".
Sie gehen also mit dem Kind einer mehr als ungewissen Zukunft entgegen, die anscheinend aber immer noch verheißender erscheint als das Weiterleben als ewig arme Bauersleute. Was aus den zurückgelassenen kleinen Mädchen wurde und letztendlich aus Quirin, Anna und Johann, bleibt im Dunkel der Geschichte.
Gruss MM

Schöne, traurige Geschichte - wieder einmal gut "vorgetragen"
Danke.

Wenn man sich als Soldat mehr Überlebenschance ausrechnet als aus Bauer, will das etwas heissen.
Interessant auch, wie Krieg damals funktionierte. Sieht manchmal so aus, als ob der Troß grösser war als das Heer.

Zu den Kindern: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass etwa 1/3 der (eigenen) Kinder gestorben sind. Die Überlebenschance der nicht eigenen bzw. Stiefkinder war sicher um einiges geringer. Es würde mich nicht wundern, wenn diese Kinder alle im Kindesalter gestorben wären.

Danke für die Geschichte!
walter

Ja sehr sehr traurige Geschichte. Der Großteil meiner Vorfahren waren auch Bauer. Da sind auch viele Kinder jung gestorben.

Leider muß ich zustimmen: habe festgestellt, daß die Sterberate bei den Unehelichen/ Stiefkindern/ Waisenkindern ungleich höher war als die der "eigenen eheleiblichen Kinder" wie es so schön heißt. Obwohl auch von diesen etwa 1/3 das Kleinkindalter auch nicht überlebten.
Allerdings ist dies der erste Fall, den ich dokumentiert fand, wo ein Mann Frau und Kind mit in den Krieg nahm. Für den 30-jährigen solchen gibt es Zahlen, die belegen, daß tatsächlich der Troß, nämlich Frauen/ Gefährtinnen und Kinder weit größer war als die Anzahl der Kämpfer.
Gruss MM

Noch in den 1931 uraufgeführten "Geschichten aus dem Wiener Wald" v. Ödön v. Horwáth stellt die Großmutter das unehliche Kind ihres Enkels absichtlich in die Zugluft und es stirbt an Lungenentzündung.

Robert.