Guten Tag allseits,
Bei der Suche nach Herrschaftsakten fand ich ein Buch aus dem 17. Jh. (Beginn 1642) „Heirats- Kauf- und Inventursprotokoll" und stellte fest, dass es sich bei den Protokollen zum grossen Teil um Verhandlungen im Zusammenhang mit "Iniurien", "Schlegereyen" und "Raufereyen" handelt.
In der Gemeinde waren in erster Linie Hauer und eine grosse Anzahl Schiffleute ansässig, allesamt nicht zimperlich, es gab 4 Leitgebhäuser. Dies war offenbar die Voraussetzung dafür, dass das Buch letztlich weit mehr als tausend Seiten umfasst.
Hier einige Spezialitäten aus der Liste der Beleidigungen:
-Schelmb/ Schelmbin (offenbar sehr häufig und sehr strafbar)
-Dieb/ Diebsgesindel
-Mauskopf/ Mausköpfin (längst vergessen, die Bedeutung ist mir rätselhaft)
-Pfaffenknecht, Pfaffenhur
-schwedische Hur, -schwäbische Hur, schwäbischer Schelmb
-Pernheuter (=Bärenhäuter, jemand der allzeit auf dem Bärenfell liegt, nichts arbeitet und nicht ins Feld zieht)
-Hex
-Lumpenmandl
-schlimber Hundt
-Hundsfott (eine der schlimmsten Beleidigungen offenbar)
-Pamphili (=ein dicker Mensch)

Die „Iniurien“ fanden häufig beim „Gastgeb“ statt, beim Kegelscheiben, am Marktplatz. Erst wurden „Mauldaschen“ ausgeteilt, dann flogen „Kriegel“, Tische und Sessel; Stecken, Ziegelsteine und eisenbeschlagene Prügel kamen zur Anwendung, auch „Carowiner“ (Karabiner), „Pistollen“, „Musqueten“ und Degen wurden zumindest drohend hergezeigt.
Die Frau des Fischers versprach unzufriedenen Kunden „ihnen den Fisch am Kopf zu zerschlagen“ (erinnert mich an das gallische Dorf)
Richter und Rat strichen Geldstrafen ein, waren aber sehr milde (wegen „Trunckenheit“, „vollerweis beschehen“), der örtliche Bader hatte ein gutes Auskommen mit der Behandlung von Knochenbrüchen, „Löchern in Kopf“ und „bluetige Peuln“.

freundliche Grüsse Miss Marple

Habe online "nachgeschlagen":
Schelm war seit dem Spätmittelalter eine Bezeichnung für Scharfrichter, eine "unehrliche" Berufsgruppe und als Beleidigung noch im 17.Jhdt. strafbar (- wissen wir schon *G*)
Mauskopf wurde vermutlich für Mitglied einer Tiroler Räuberbande des 16. Jh. verwendet, später für Diebe allgemein.

Robert.

Den Mauskopf hab ich auch in einem alten Etymologieschinken gefunden als Bezeichnung für präsumptive Diebe.
Im Zusammenhang mit dem noch heute geläufigen "Hundsfott" findet sich in den Aufzeichnungen "Gmischgmäsch" des Spitzer Pfarrers von anno 1730 nachfolgende (mMn) eher skurrile Erklärung:
„aus Hunnus fuit wird Hundsfut“
Mittlerweils aber ist erfolget, dass aus Unachtsamkeit die zwei Wörtlein „Hunnus fuit“ von dem gemeinen Mann ein Wort mit Auslassung des Vokals i Hunnsfut gezogen worden, welches Wort so viel Übel in der Welt, meistens aber under dem Adel, unter dem hochen Officieren, Soldatten, ja auch gemeinen Mann bishero angezettelt, dass wegen ein Worts nur allein viel hundert 1000 Männer ihr Leben durch Duell, Rencontren und Rauffhandlen eingebüsset auch darüber ihre Seelen dem Teuffel auf ewig zugestiftet. Ja so verhasst ist dieser von denen Hunni herrührende Nam, dass auch jeder kleine Knabe, so er kaum in der ersten Hosen herumläuft, mit solchen Worten nit will belegt werden.

Hallo Miss Marple,

zu deinem Repertoire kann ich noch beitragen:

-1000 sacramentische Huer,
-Bettlhund,
-Zauberin
-beed Ascheltrager?
-rebellischer Dieb, Gaißdieb, Ochsendieb,
-alter zusamen geglaubter Fetzen
-loses Diebsmännl,
-schlimme Flitschn
-schichlerte Krot
-beschissenes Mandl
-ausgestrichene Huer,
-zauberische Huer
-schlaperantische Huer
-gelbzipferte Huer
-Wettermacherin
-Fretter
-Bube
-leichtfertige Huer
-waugerte Huer

das schlimmste Schimpfwort begann mit 1000 sacramentische ... (da hier auch Gott aufs Allerhöchste beleydigt wurde)


darf ich fragen, wo du das Buch gelesen hast?



lg walter

Hallo walter,
Vielen Dank für die weiteren Iniurien, höchst amüsant.
welches Buch meinst Du denn? Den Etymologieschinken (der ist online zu finden)? Oder das Aggsbacher "Protokoll"?
freundliche Grüsse MM

Hallo Miss!

das Buch mein ich:

"... Buch aus dem 17. Jh. (Beginn 1642) „Heirats- Kauf- und Inventursprotokoll" ..."

lg walter

Das hier ist es:
http://www.archivnet.findbuch.net/php/vi...699773553109694

Woher stammen denn Deine Iniuri-Juwelen? Die 1000-sacramentische... ist mir mal in Weissenkirchen begegnet, kann das sein?
Dein "alter zusamen geglaubter Fetzen" (mein Favorit) hat übrigens eine Verwandte, nämlich den "ausgschwabten Doanafetzen" (einem anderen bemerkenswerten Elaborat entnommen)
fG Miss

Liebe Miss!

wie immer liegst du richtig, dein Spürsinn in Ehren. Es handelt sich um die Ratsprotokolle von Wkchn, Zeitraum 1600-1660.

lg Walter

Lieber Walter, sind die auch online einsehbar?

leider nicht, das wären sicher 100.000 seiten

lg walter