Hallo,

meine Mutter betreibt seit einigen Jahren Ahnenforschung für ihre Familie in Frankreich (sie ist Französin, ich bin deutsch-französischer Herkunft). 99% der Ahnen waren sehr einfache Menschen, was die Forschung geographisch auf sehr engen Raum in der Picardie und in der Bretagne begrenzt. Archive sind leicht zugänglich (online wie offline), die Dokumente sind alle in französisch verfasst, sie kam also auch als Laie sehr gut voran, teilweise bis 1640.

Im Jahr 1795 heiratete unser Vorfahre Joseph SONNECK eine Französin in der Nähe von Beauvais (Departement Oise). In der Heiratsurkunde wird er als "Déserteur Autrichien", österreichischer Deserteur, erwähnt. Sein Geburtsort wird als "Commune de Croulk, Canton d'Holmitz/Holmik (leider ist das Dokument extrem unleserlich verfasst)" betitelt, sowie die Namen der Eltern, Jean Sonneck und N.... Limak. In der grossen frz online Community/Datenbank Geneanet finden sich einige seiner heutigen Nachfahren die auch auf ihn gestossen sind. Diese haben Holmitz/Holmik als das heutige Dorf Holmec in Slowenien (ein Grenzübergang zu Österreich in der Nähe von Bleiburg) interpretiert. Ich bin sofort sehr skeptisch gewesen, und "Recherchen" auf die hervorragenden Karten von http://mapire.eu/de/ haben ergaben, dass diese Gegend damals sehr unbewohnt war und nirgends bis ins 20ste Jahrhundert auf Karten ein Dorf namens Holmec erwähnt wird.

Weitere Recherchen führten uns bald auf Namenslisten, die die junge französische Republik über Deserteure führte. Wie so oft hatte es auch ökonomische Gründe, Deserteure bekamen nämlich vom Staat ein Sold dafür, dass sie aufgehört hatten es zu bekämpfen ! Tatsächlich fanden wir schnell im Archiv von Beauvais die Deserteurslisten von 1793, wo neben zahlreichen Angaben zur Haarfarbe, Nasenlänge, Mundform und Stirngrösse diese wichtigen Elemente angegeben sind (habe die Seite für Interessierte online verfügbar gemacht: http://www.tonato.de/lol/joso1.jpg ):

Name: Joseph Sonneck
Einheit: Vieux Color...
Nationalität: Österreicher
Geburtsort: Oterbeeg

(als Anekdote: als Notiz steht noch verzeichnet, dass er auf ein Gut arbeitete, das sich 500 Meter vom heutigen Haus meiner Mutter befindet, die zwischenzeitlich in ganz Europa wohnte. Manchmal gibt es wirklich verrückte Zufälle).

Nach einigen Onlinerecherchen konnte ich die Einheit "Vieux Collor" als das österreichische Regiment "Alt-Colloredo" indentifizieren ("Alt" wurde wohl ins frz übersetzt), das 40 Jahre bis kurz vor den Koalitionskriegen von einem Colloredo angeführt wurde:

Zitat

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Infanterieregiment No. 20 (1681/2) deutsch

* 1681 als „Neuburg zu Fuß“ (Ludwig Anton von der Pfalz zu Neuburg), 1694 Johann Karl von Thüngen, 1710 Friedrich Wilhelm von Holstein-Beck, 1718 Johann Friedrich von Diesbach, 1744 Anton von Colloredo-Waldsee („Alt-Colloredo“), 1785 Franz Wenzel von Kaunitz-Rietberg → 1806 Infanterie-Regiment Nr. 20

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_...3%BChen_Neuzeit

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Die einzigen Informationen die ich durch laienhafte Recherchen über dieses Regiment gefunden haben kommen aus dem siebenjährigen Krieg von 1762:

"After the war (1762), the regiment garrisoned Neustadt (present-day Nové Město n. Metují/CZ), Müglitz (present-day Mohelnice/CZ) and Prossnitz (present-day Prostějov/CZ). "

Dabei handelt es sich um 3 Städtchen rund um der Festungsstadt Ölmütz. Olmütz würde dem erwähnten "Canton d'Holmitz" aus der Heiratsurkunde von 1795 natürlich sehr nahe kommen. Etwa 80km von Ollmütz befände sich das heutige Bohumin an der Grenze zwischen Mähren und Schlesien, auf deutsch Oderberg, was dem Eintrag aus der Deserteursliste "Oterbeeg" phonetisch nahekommen würde. Recherchen in die online verfügbaren tschechischen Matrikeln ( http://vademecum.archives.cz/vademecum/p...55-0050568c0263 hier handelt es sich wohl um eine später angefertigte Auflistung, die den Vorteil hat sehr leserlich zu sein) ergaben leider keinen Treffer für unseren gesuchten Joseph Sonneck. Allerdings tauchen ab 1800 mehrere Sonecks auf, was immerhin aufmunternd ist !

Nach dieser hoffentlich nicht allzulange Vorerzählung nun meine Frage:

Am sinnvollsten scheinen mir weitere Recherchen in Richtung Alt-Colloredo Regiment zu sein, statt alle mährischen Matrikeln einzeln abzuklappern. Gibt es Hoffnungen in Österreich alte Unterlagen zu solchen Infanterie Regimentern zu finden ? Wurden damals die Soldaten in Listen aufgezeichnet ? Wäre sowas dann im Kriegsarchiv Wien aufbewahrt ? Hier wäre sicherlich für uns ein professioneller Ahnenforscher sinnvoll um diese Einzelne Recherche durchzuführen ?

Ich wäre über Tipps und Ideen zum weiteren Vorgehen dankbar.

Oterbeeg klingt allerdings eher nach Oterbach (heute: Kacjipotok) sein.

Zuständig seit 1835 ist die Pfarre Mozelj.

Vorpfarre: Kocevska Reka, Matrikenbeginn: 1736/1730/1752

Kronland Krain, Bistum Laibach/Ljubljana

Guten Tag,
zum IR 42 habe ich das gefunden:
https://familysearch.org/search/catalog/...story%20Library
Ich scheitere dummerweise aber an der Suche nach dem IR 20.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Martin

Zitat von Holleitner im Beitrag #3

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Guten Tag,
zum IR 42 habe ich das gefunden:
https://familysearch.org/search/catalog/...story%20Library
Ich scheitere dummerweise aber an der Suche nach dem IR 20.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Martin

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Lieber Thomas!

Die Soldaten des 20.ten Infanterie Regiments stammten im 18. Jhdt. überwiegend aus dem Oberrheinischen Reichskreises: https://de.wikipedia.org/wiki/Oberrheinischer_Reichskreis

Ich forsche gerade im 1. I.R. wo das genauso ist. Die Truppen wurden ursprünglich aus Lothringen gestellt. Danach gab es strikte Regelungen woher Soldaten für die einzelnen Regimenter rekrutiert werden dürfen. Beim 20. war das der Oberrheinische Reichkreis, der aus Hessen, Rheinland Pfalz, Teile von Würtenberg, Teile von Holland, Elsass, Basel und Savoyen bestand.
Also kann sich Otenbeeg als Geburtsort auch auf das Ottenberg in Rheinland Pfalz beziehen oder irgendwo im Süd-West-deutschen Raum.

Die Regimentsdaten sind im Kriegsarchiv in Wien nur persönlich zur Einsicht möglich ( nach vorheriger Bestellung). Dabei werden die Soldaten nur vermerkt wenn sie in den Dienst eintreten oder irgendetwas Aussergewöhnliches passiert. Es handelt sich um sehr dicke Jahrgangsbücher, die schwierig zu durchforsten sind.
In deinem Fall könnte natürlich zusätzlich die Desertation dokumentiert sein.

( Anm. bis 1795 waren Soldaten auf Lebenszeit bestellt, danach konnten sie entweder nach 12 oder nach 14 Jahren den Dienst quittieren. Es war vorher also unmöglich anders aus dem Soldatenleben zu scheiden, als zu sterben oder zu desertieren,)

Mit den Microfilmen aus Utah habe ich bislang keine Erfahrung gemacht. Allerdings scheinen dort auch Kirchenbücher der Regimente auf. Das war mir neu ...

Lg aus der Schweiz

P.S.: Mein Urururururgrossvater hiess Johan Bellony, geb. etwa 1759(?) und in 1791 in Prossnitz geheiratet. Wahrscheinlich beim ersten IR im Stab in Prossnitz. Mehr hab ich bis jetzt noch nicht gefunden.
Anbei der Eintrag der Heirat mit Maragaretha, der Wittwe von Georg Winheim ( auch 1. IR) aus dem Kirchenbuch von Prossnitz

@thomasw70 Noch ein Nachtrag: ich denke, dass du dich beim Regiment möglicherweise irrst. Als Colloredo Regimenter werden das 56. und das 57. bezeichnet.
Der Stabssitz des 56. befindet sich in Olmütz.
https://library.hungaricana.hu/hu/view/M...?pg=82&layout=s

Hallo Susanna,

ich habe erst jetzt deine Antwort zur Kenntnis genommen.

Es gab tatsächlich mehrere Regimenter mit einem Familienmitglied der Colloredos an der Spitze.

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_...3%BChen_Neuzeit

Laut dieser Regimentsliste wurde das I.R. 20 Jahrzehnte lang von Anton von Colloredo-Waldsee geführt und als "Alt-Colloredo" Regiment bezeichnet, wohl zur Unterscheidung des zur gleichen Zeit von Carl von Colloredo-Waldsee geführten "Jung Colloredo" Regiment, später I.R. 40. Beide Colloredos führten ihre Regimente sehr lang und bis kurz vor dem Kriegsausbruch, so dass ich vermute dass der Name einige Jahre hängen blieb. IR20 hatte den Stabssitz zu dieser Zeit wohl schon in Mähren und wurde von einem "Kaunitz" angeführt.
Tatsächlich war mir auch aufgefallen dass während des Kriegs das I.R.56 von einem weiteren Familienmitglied geführt wurde (desweiteren gab es sogar ein General mit diesem Namen, den man auf manche Karten der grösseren Schlachten findet). In manche Einträge in den Desserteurslisten findet sich manchmal auch nur der Eintrag "Colloredo", was wohl dann wirklich Richtung IR56 gehen würde. Bei unserem Eintrag steht allerdings recht explizit "Vieux Colloredo", weshalb ich jetzt angefangen hab die Listen des IR20 in Utah durchzugehen. Habe die Musterliste von 1789 zur Hälfte durch und bisher leider nur einen Zeitgenossen mit gleichem Nachnamen, nicht jedoch mit passendem Vornamen gefunden.

Vielen Dank für den Verweis auf Ottenberg in RLP, auch wenn bisher vieles darauf deutet dass das IR20 nur bis zum siebenjährigen Krieg in dieser Gegend war und danach Richtung Böhmen u. Mähren gezogen ist, so kann man das ja dennoch als eine Möglichkeit offen lassen.
Dass eine Recherche in den Originalbücher in Wien recht schwierig geworden wär hatten wir uns schon gedacht, die online gestellten Musterlisten der Mormonen sind wirklich super. Es ist jede "Compagnie" des Regiments mit einer Liste der zum Erfassungszeitpunkt vorhandenen Soldaten verzeichnet, sowie eine Liste der Zu- und Abgänge. Werde wohl alle Dokumente bis zum zum Herbst 1793 durchgehen, wenn ich nichts finde kann ich ja mit den beiden anderen möglichen "Colloredo" Regimenter weitermachen. Es ist ja sowieso die einzige heiße Piste die wir haben.

lg,

Thomas